Digitale Barrierefreiheit im Internet

Auf einen Blick:

  • Websites öffentlicher Stellen in der Bundesrepublik Deutschland müssen barrierefrei sein.
  • Teilweise wird die Einhaltung von Standards digitaler Barrierefreiheit von eigenen Stellen überwacht.
  • Digitale Barrierefreiheit im Internet lässt sich anhand diverser Kriterien und Standards beurteilen.
  • Digitale Barrierefreiheit im Internet soll sicherstellen, dass alle Menschen unabhängig von ihren technischen, physischen und kognitiven Fähigkeiten die Inhalte von Websites erschließen können.

Definition, Einführung

Barrierefreiheit im Internet – also digitale Barrierefreiheit auf Websites – bedeutet, dass alle Menschen das digitale Angebot nutzen können, unabhängig von Geräten, Software, physischen und kognitiven Fähigkeiten. Um dieses Ziel zu erfüllen, muss eine Website inklusiv programmiert und gestaltet sein – „inklusiv“ bedeutet hier, möglichst viele Nutzungssituationen zu berücksichtigen. Im Englischen ist bei „Barrierefreiheit“ von Accessibility die Rede.

Gesetzliche und formale Grundlagen von Barrierefreiheit im Internet

Barrierefreiheit ist in Deutschland gesetzlich definiert. Im Behindertengleichstellungsgesetz heißt es in §4:

„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.“

Eine wesentliche Vorgabe und Orientierung bietet die „Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0“, die seit Mai 2019 in Kraft ist und deren Anwendungsbereich gleich an erster Stelle „Websites“ aufführt. Die BITV 2.0 enthält selbst nur wenige Vorgaben zur digitalen Barrierefreiheit und nennt vielmehr als Quelle für anzuwendende Standards das Amtsblatt der Europäischen Union; somit werden die für die Bundesrepublik relevanten Barrierefreiheitsnormen ab auf EU-Ebene formuliert. Kriterien digitaler Barrierefreiheit im Internet finden sich in der „EN 304 549“. Hinsichtlich Web-Inhalten bezieht sich diese Europäische Norm (EN) wiederum auf die „Web Content Accessibility Guidelines 2.1“ (WCAG 2.1). Somit gelten für Websites öffentlicher Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland faktisch die „WCAG 2.1“. Sie stammen vom World Wide Web Consortium (W3C), einer internationalen Organisation zur Entwicklung und Verbreitung von Webstandards.
In einzelnen Bundesländern wie zum Beispiel Niedersachsen wird digitale Barrierefreiheit in eigenen Gesetzen geregelt, zum Beispiel dem Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetz (NBGG). Das NBGG sieht auch eine eigene Überwachungsstelle vor, die periodisch Websites öffentlicher Stellen überprüft, ob bzw. inwiefern diese den Kriterien digitaler Barrierefreiheit genügen.

Barrierefreiheit im Internet

Um die Anforderungen an Barrierefreiheit im Internet zu verstehen, lohnt zunächst ein Blick auf die Funktionsweise von Websites. Eine Website umfasst eine oder mehrere Webseiten – man kann sie sich als digitales Grundstück vorstellen, auf dem ein Gebäude mit einem oder mehreren Zimmern steht; indem man in der Adresszeile des jeweiligen Browsers eine Internetadresse eingibt und ansteuert, betritt man dieses digitale Grundstück (engl. site = Grundstück). Die Domain (www.name-der-seite.de) bezeichnet dieses digitale Grundstück, die Website, wie die Adresse eines Hauses in einem Ort. Steuert man im Browser eine Internetadresse an, liefert ein Server, der mit dieser Adresse verknüpft ist, die dazugehörige Webseite aus, das heißt, er schickt eine oder mehrere Dateien an das Gerät des jeweiligen Nutzers. Diese Dateien enthalten Code, den der Browser ausliest, interpretiert. Der Browser erhält präzise Anweisungen, wie er die aufgerufene Webseite darstellen soll.

Eine Webseite besteht aus einer Vielzahl von kleinen und großen Elementen (etwa ein ganzes Navigationsmenü oder auch bloß ein kursives Wort). Die im Code enthaltenen Anweisungen beschreiben diese Elemente und lassen sich in drei Kategorien unterteilen: Struktur, Inhalt und Design. Strukturelle Bestandteile einer Webseite enthalten Informationen über Zweck und Funktion eines Elements, zum Beispiel dass das Element eine Überschrift ist und ob es die Hauptüberschrift oder lediglich eine Zwischenüberschrift ist. Der inhaltliche Teil enthält dann den konkreten Text der Überschrift, ist also mehr redaktioneller denn technischer Aspekt. Und das Design gibt vor, wie die Überschrift aussieht (beispielsweise Schriftart, Farbe, Größe etc.) und wie sie sich gegenüber anderen Layoutbestandteilen verhält (etwa Platzierung und Abstände).

Welche Nutzungssituationen gibt es?

Die Nutzungssituation ist eine Konstellation von Mensch, Maschine und Umgebung.

Physische Bedingungen: Der Nutzer kann zum Beispiel ein eingeschränktes Sehvermögen haben, etwa eine teilweise oder völlige Blindheit. In diesem Fall bedient er sich vermutlich eines oder mehrerer Hilfsmittel, etwa einer Software, die ihm die Webseite vorliest. Auch gibt es Nutzer, die sensibler auf visuelle Veränderungen, beispielsweise Animationen, reagieren als andere Nutzer.

Technische Bedingungen: Hierunter fallen zunächst Eingabe- und Ausgabegeräte. Der Nutzer kann eine Webseite mithilfe eines Touchdisplays mit den Fingern bedienen, alternativ aber auch mit der Maus oder der Tastatur. Die Wahl des Bedienungsgerätes ist nicht einmal an die physischen Bedingungen gebunden: So wird ein blinder Nutzer zwar höchstwahrscheinlich auf die Tastatur angewiesen sein, aber auch Nutzer mit durchschnittlichem Sehvermögen können aus reiner Vorliebe die Tastatur gegenüber der Maus bevorzugen. Das ist eine wichtige Erkenntnis in Sachen Barrierefreiheit: Die physischen Eigenschaften eines Nutzers lassen keine Rückschlüsse auf die Eingabegeräte zu – und umgekehrt. Bei den Ausgabegeräten geht es vor allem um die Größe von Displays, die Modernität der Software und die Leistungsfähigkeit der Hardware. Bei einer schlechten Internetverbindung (insbesondere im Mobilfunk und WLAN) dauert der Aufbau einer Webseite länger als bei einer schnellen, da die benötigten Daten erst vom Website-Anbieter zum Nutzer transportiert werden müssen. Anschließend müssen die gelieferten Daten verarbeitet werden, was wiederum von Hardwarekomponenten wie dem Prozessor oder dem Hauptspeicher abhängt, aber auch von der verwendeten Software: dem Browser. Nicht nur existieren unterschiedliche Browsertypen (zum Beispiel Mozilla „Firefox“, Google „Chrome“ oder Microsoft „Edge“), sondern auch verschiedene Versionen. Browser werden ständig aktualisiert, wodurch in der Regel leistungsfähiger werden und zudem neue Techniken der Websitedarstellung beherrschen (beispielsweise Animationen, Gestaltungsraster, Farbeffekte etc.). Kurz: Technische Bedingungen der Websitenutzung umfassen Software, Hardware und die Internetverbindung.

Zur Umgebung könnte auch die Internetverbindung zählen, da vor allem der Mobilfunk in seiner Qualität regional zum Teil stark variiert. Ferner geht es aber auch um den Standort des Nutzers – denn es ist ein großer Unterschied, ob man eine Webseite hochmobil beim Gehen auf dem Bürgersteig oder ganz in Ruhe zu Hause am Schreibtisch betrachtet (vielleicht ist es am Schreibtisch, im Großraumbüro, aber auch hektischer als unterwegs auf dem Gehweg).

Inwiefern sind Nutzungssituationen relevant?

Nutzungssituationen bilden den Maßstab für Barrierefreiheit. Digitale Barrierefreiheit bezeichnet auch das Bestreben, Websites für alle erdenklichen Nutzungssituationen vorzubereiten. Im Sinne von digitaler Barrierefreiheit muss inklusives Design unterschiedlichste Nutzungssituationen antizipieren, das heißt, sich auf alle erdenklichen Displays, Eingabegeräte und technischen Infrastrukturen der Nutzer*innen einzustellen. Der inzwischen weitverbreitete Begriff des „Responsive Webdesign“ bezog sich ursprünglich primär auf die gleich gute Darstellung von Websites auf verschiedenen Bildschirmgrößen, vom Smartphone bis zum Beamer. Dies deckt allerdings nur einen Teil der Barrierefreiheit ab und ließe sich im Kontext von barrierefreiem Internet weiter fassen: Websites müssen nicht nur hinsichtlich der Bildschirmdarstellung responsiv sein, sondern auch auf Eingabegeräte, die kognitiven und physischen Eigenschaften der Nutzer*innen selbst etc. – also allen Aspekten einer komplexen Nutzungssituation – reagieren können, kurz: Barrierefreie Websites müssen multidimensional responsiv sein.

Barrierefreie Websites müssen auf unbekannte Nutzungssituationen vorbereitet sein. Im Vorhinein weiß man zwar nicht, ob ein Nutzer/eine Nutzerin die Seite visuell mit den Augen oder akustisch mithilfe einer speziellen Software erschließt; aber man weiß immerhin, dass beide Möglichkeiten bestehen.

Was sind barrierefreie Websites, wie sieht ein barrierefreies Internet konkret aus?

Erklärung zur Barrierefreiheit und Feedback-Mechanismus

Laut §4 der BITV 2.0 sind auf der Startseite einer Website, der sogenannten Homepage, diverse Erläuterungen bereitzustellen.

  • Diese Informationen müssen in unterschiedlichen Formen vorliegen: sowohl in Deutscher Gebärdensprache als auch in Leichter Sprache. Sie müssen enthalten: „1. Informationen zu den wesentlichen Inhalten, 2. Hinweise zur Navigation, 3. eine Erläuterung der wesentlichen Inhalte der Erklärung zur Barrierefreiheit, 4. Hinweise auf weitere in diesem Auftritt vorhandene Informationen in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache.“
  • Außerdem fordert §7 eine spezielle Einbettung einer Barrierefreiheitserklärung: „Die Erklärung zur Barrierefreiheit nach § 12b des Behindertengleichstellungsgesetzes ist in einem barrierefreien und maschinenlesbaren Format zu veröffentlichen und muss von der Startseite und von jeder Seite einer Website erreichbar sein. Für mobile Anwendungen ist die Erklärung an der Stelle, an der das Herunterladen der mobilen Anwendung ermöglicht wird, oder auf der Website der öffentlichen Stelle, zu veröffentlichen.“ Und: „Die Erklärung zur Barrierefreiheit muss umfassende, detaillierte und klar verständliche Angaben zur Vereinbarkeit der Website oder der mobilen Anwendung mit den Anforderungen zur Barrierefreiheit nach den §§ 3 und 4 enthalten.“ Die Erklärung ist überdies „jährlich und bei jeder wesentlichen Änderung der Website oder der mobilen Anwendung zu aktualisieren“.
  • Eine Möglichkeit zur elektronischen Kontaktaufnahme, vor allem zur Übermittlung eines Feedbacks; diese Kontaktgelegenheit „soll von jeder Seite einer Website oder innerhalb der Navigation einer mobilen Anwendung unmittelbar zugänglich und einfach zu benutzen sein“.

Die in der BITV 2.0 konkret geforderten Informationen lassen sich beispielsweise über einen omnipräsenten, auf allen Webpages einer Website integrierten Link bereitstellen. Dieser Link führt auf eine eigene Seite mit den relevanten Erläuterungen. Zudem können Nutzer*innen über ein spezielles Feedback-Formular eine elektronische Rückmeldung zur Barrierefreiheit der jeweiligen Website geben, also zum Beispiel Barrierefreiheitsmängel an den*die Websitebetreiber*in melden (sogenannter Feedback-Mechanismus). Auch dieses Kontaktformular kann neben den Erläuterungen separat, beispielsweise in der Fußleiste einer Webseite, verlinkt sein. Die Umsetzung dieser Informationsbereitstellung ähnelt also der bereits obligatorischen Bereitstellung von Impressum und Datenschutzhinweisen. Ein Umsetzungsbeispiel ist die Website der Bundesregierung.

Zentrale Aspekte von digitaler Barrierefreiheit im Internet

Über diese spezifisch bundesrepublikanischen Vorgaben für digitale Barrierefreiheit im Internet hinaus existiert eine Vielzahl weiterer Aspekte. So sind vor allem bestimmte Schriftgrößen und Farbkontraste zu beachten; sämtliche via <img>-Element integrierten Bilder müssen über ein (leeres oder beschriebenes) „alt“-Attribut für alternativen Text verfügen; HTML-Dokumente sind semantisch sinnvoll mit geeigneten Elementen und einer korrekten Überschriftenhierarchie zu formatieren, um vor allem für assistierende Software (insbesondere Screenreader) interpretierbar zu sein; alle Webseiten lassen sich unabhängig von der Displaygröße des Anzeigegerätes betrachten und ggf. auf einem Ausgabegerät ausdrucken; sämtliche Webseiten sind zudem mit allen erdenklichen Eingabegeräten bedienbar – insbesondere Maus, Tastatur und Touchdisplay. Das Datenvolumen einer Webseite sollte minimalisiert sein und insbesondere bei Mobilfunkverbindungen das in der Regel kostenpflichtige Datenkontingent schonen – sprich mit kleinen Dateien auskommen. Via JavaScript erzeugte Elemente und Funktionalität sollte, so weit möglich, für Benutzer*innen, die ohne JavaScript die Webseite aufrufen, alternativ zugänglich sein – zumindest aber sollten wesentliche Inhalte nicht ausschließlich via JavaScript eingebunden sein.

Eine vollständige Erörterung einer barrierefreien Website sprengt den Rahmen dieses Artikels. Gerne beraten wir Sie dazu persönlich.